Wenn Wärmemengenzähler für Warmwasser gemäß § 9 fehlt?

Von einer nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung (§ 9 Warmwasser und Wärme) i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV ist auch dann auszugehen, wenn zwar die Wohnung über Heizkostenverteiler und Warmwasserzähler, jedoch die verbundene zentrale Wärme- und Warmwasserversorgungsanlage nicht über den nach § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV vorgesehenen Wärmemengenzähler verfügt.
So der BGH in seinem – bisher wohl nur auf imr-online veröffentlichten – Urteil vom 12.01.2022.
BGH, 12.01.2022 – VIII ZR 151/20

Der Fall:
„In dem Wohngebäude werden Heizungswärme und Warmwasser zentral durch Bezug von Fernwärme mittels einer Anlage bereitgestellt, bei der die Versorgung mit Wärme mit der Warmwasserversorgungsanlage verbunden ist. Die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge wird nicht mit einem Wärmeenergiezähler gemessen gemäß § 9 .“

Vorhergehend:
LG Heidelberg, Urteil vom 28.05.2020 – 5 S 42/19
AG Heidelberg, 03.09.2019 – 21 C 86/19

Entscheidungsgründe:
Nach § 9 Abs. 1 HeizkostenV seien bei verbundenen Anlagen die einheitlich entstandenen Kosten des Betriebs aufzuteilen. Bei eigenständiger gewerblicher Wärmelieferung habe die Teilung nach den Anteilen am Wärmeverbrauch zu erfolgen. Die Beklagte habe aber entgegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge nicht mit einem Wärmemengenzähler gemessen, weil ein solches Gerät nicht vorhanden sei, sondern sie habe eine Trennung durch Berechnung nach § 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV vorgenommen, ohne dass hierfür die Voraussetzungen gegeben gewesen seien, Dieser Verstoß führe allerdings nicht dazu, dass der Kläger gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV das Recht habe, den auf ihn entfallenden Anteil an den Kosten um 15 % zu reduzieren.
Die Kammer schließe sich der Auffassung an, nach der ein solches Kürzungsrecht nicht gegeben sei, wenn eine Aufteilung der einheitlich entstandenen Kosten einer verbundenen Anlage unter Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV nur rechnerisch erfolge und dabei – wie im Streitfall – zu Unrecht die Formel nach § 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV angewandt werde.
Diese Auffassung sei mit dem Wortlaut der Vorschrift zu vereinbaren, nach dem das Kürzungsrecht nur entstehe, wenn entgegen den Vorschriften der Verordnung „nicht verbrauchsabhängig“ abgerechnet werde. Vom Verbrauch abhängig – nämlich von der Erfassung der Heizkostenverteiler – sei die Abrechnung aber selbst dann, wenn nicht einmal das verbrauchte Warmwasservolumen ermittelt, sondern stattdessen die versorgte Wohnfläche als verbrauchsunabhängiger Faktor zu Grunde gelegt werde.
„Maßgeblich abzustellen sei daher auf den Regelungszweck. Zweck der Heizkostenverordnung sei es, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen. Dem jeweiligen Nutzer solle durch die verbrauchsabhängige Abrechnung der Zusammenhang zwischen dem individuellen Verbrauch und den daraus resultierenden Kosten bewusstgemacht werden. Vor diesem Hintergrund gestatte das Kürzungsrecht dem Mieter eine abstrakte Berechnung des Schadens, der aus der nicht ordnungsgemäßen Anwendung der Heizkostenverordnung resultiere, und zwar beruhend auf Erhebungen, nach denen bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung mit einer Energieersparnis in Höhe von 15 % zu rechnen sei.
Diese Wertung lasse sich auf die unzureichende Abgrenzung des auf Heizung und Warmwasserbereitung entfallenden Energieanteils nicht übertragen. Zwar seien möglicherweise auch von der korrekten Anwendung des § 9 HeizkostenV Energieeinsparungseffekte zu erhoffen. Deren Höhe sei indes letztlich offen und der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV unterstellte Schaden in Höhe von 15 % mangels verbrauchsbezogener Abrechnung stehe mit einer unzutreffenden Anwendung des § 9 HeizkostenV nicht in Zusammenhang.“

§ 9 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser bei verbundenen Anlagen
„(2) Die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge (Q) ist mit einem Wärmezähler zu messen. Kann die Wärmemenge nur mit einem unzumutbar hohen Aufwand gemessen werden, kann sie nach folgender Zahlenwertgleichung als Ergebnis in Kilowattstunden pro Jahr bestimmt werden:

Q = 2,5 x V x (tw-10).

Dabei sind zu Grunde zu legen:
1. der Wert 2,5 für die Erzeugeraufwandszahl des Wärmeerzeugers, die mittlere spezifische Wärmekapazität des Wassers, die Wärmeverluste für Warmwasserspeicher, Verteilung einschließlich Zirkulation, Messdatenerhebungen zum Warmwasserverbrauch,
2. das gemessene Volumen des verbrauchten Warmwassers (V) in Kubikmetern,
3. die gemessene oder geschätzte mittlere Temperatur des Warmwassers (tw) in Grad Celsius und
4. der Wert 10 für die übliche Kaltwassereintrittstemperatur in die Warmwasserversorgungsanlage in Grad Celsius.

Wenn in Ausnahmefällen weder die Wärmemenge noch das Volumen des verbrauchten Warmwassers gemessen werden können, kann die Wärmemenge, die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfällt, nach folgender Zahlenwertgleichung als Ergebnis in Kilowattstunden pro Jahr bestimmt werden:

Q = 32 x AWohn.

Dabei sind zu Grunde zu legen:
1. der Wert 32 für den Nutzwärmebedarf für Warmwasser, die Erzeugeraufwandszahl des Wärmeerzeugers, Messdatenerhebungen zum Warmwasserverbrauch und
2. die durch die zentrale Anlage mit Warmwasser versorgte Wohn- oder Nutzfläche (AWohn) in Quadratmeter.“

Quelle: BGH, 12.01.2022 – VIII ZR 151/20

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