Betriebskosten: Muss der Vermieter bei fehlender WEG-Abrechnung abrechnen?

Der Vermieter einer Eigentumswohnung hat über die Betriebskostenvorauszahlungen des Mieters grundsätzlich innerhalb der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB abzurechnen, auch wenn der WEG-Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegt.
Eine Entlastung hinsichtlich einer nicht fristgerecht vorgenommenen Abrechnung kommt aber dann in Betracht, wenn die Fristversäumnis für den Vermieter unverschuldet ist.
Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund eines Rechtsstreits innerhalb der WEG keine Einzelabrechnungen über die Heizkosten vorliegen und der Vermieter dies dem Mieter mitteilt.
Im Allgemeinen muss der Vermieter innerhalb von 6 Monaten über die Kaution abrechnen; im Einzelfall kann die Abrechnungsfrist aber auch länger sein. Denn die Mietkaution sichert alle – auch die noch nicht fälligen – Ansprüche des Vermieters, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben. Dazu gehören auch Ansprüche aus einer noch zu erstellenden Betriebskostenabrechnung.
Der Vermieter darf die Kaution über den regulären Abrechnungszeitraum hinaus zurückbehalten, wenn ein Nachzahlungsanspruch zu seinen Gunsten für noch nicht fällige Betriebskosten zu erwarten ist.

So das LG München I, Urteil vom 18.01.2018 – 31 S 11267/17

„Die Beklagte trifft an der verspätet geltend gemachten Nebenkostenabrechnung für 2015, die die Beklagte grundsätzlich bis zum 31.12.16 gemäß § 556 II 2 BGB hätte abrechnen müssen, kein Verschulden, sodass vorliegend der Ausnahmetatbestand des § 556 III 3 BGB eingreift.

Denn die Beklagte hat unverschuldet nicht fristgerecht abgerechnet. Eine Abrechnung war der Beklagten bis zum 31.12.16 nicht möglich, da der Beklagten die Grundlagen für eine Heizkostenabrechnung fehlten. Denn über diese war ein WEG-Rechtsstreit, auch für die Abrechnung 2015 anhängig, indem ein gerichtliches Sachverständigengutachten erholt wurde. Erst am 08.09.17, widerruflich bis 06.10.17, haben die WEG-Eigentümer einen Vergleich geschlossen. Nachdem dieser nicht widerrufen wurde, erfolgte noch Oktober 2017 die Abrechnung und die Beklagte erstellte am 1.11.17 die endgültige Kautions- und Nebenkostenabrechnung des Beklagten. Die Entscheidung steht auch im Einklang mit der Entscheidung des BGH vom 25.01.17, Az: VIII ZR 249/15. Zwar hat danach der Vermieter einer Eigentumswohnung über die Betriebskostenvorauszahlungen des Mieters grundsätzlich innerhalb der Jahresfrist des § 556 III 2 BGB abzurechnen, auch wenn der WEG-Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegt. Aber eine Entlastung hinsichtlich einer nicht fristgerecht vorgenommenen Abrechnung kommt nach dieser Entscheidung jedenfalls dann in Betracht, wenn die Fristversäumnis für den Vermieter wie hier der Fall unverschuldet ist. Hier hat die Beklagte anders als in dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall den Entlastungsbeweis geführt. Denn die Beklagte hatte dem Kläger mit Schreiben vom 12.12.16 (B1) ordnungsgemäß mitgeteilt, dass eine endgültige fristgerechte Abrechnung aufgrund des anhängigen Rechtsstreits wegen fehlender Einzelabrechnungen der Heizkosten für 2015 nicht möglich ist. Mehr konnte und durfte der Kläger von der Beklagten nicht erwarten. Die Dauer des Rechtsstreits mit Gutachtenserstellung durch einen gerichtlichen Sachverständigen konnte die Beklagte nicht beeinflussen, weshalb von ihr im Gegensatz zu dem von BGH zu entscheidenden Verfahren, gelungen ist, nachzuweisen, dass die verspätete Abrechnung durch die beklagte Vermieterin unverschuldet erfolgte.“

„Nachdem die Beklagte wie unter Ziffer 2 ausgeführt, zutreffend vor Fristablauf nicht endgültig über die Betriebskosten 2015 abrechnen konnte, bestand für die Beklagte keine Pflicht zur Teilabrechnung, § 556 III 4 BGB. Die seitens der Beklagten überobligatorisch erfolgte vorläufige Nebenkostenabrechnung 2015 vom 12.12.16 kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu führen, dass die Beklagte aufgrund der vorgenommenen Schätzung der Position Heizung/Warmwasser mangels Angabe der Schätzgrundlagen in der vorläufigen Abrechnung die erstinstanzlich ausgeurteilten Euro 602,64 vorläufig zurückzuzahlenden Nebenkostenvorauszahlungen zurückerhält. Ebenfalls war es der Beklagten, wie mit dem Schreiben in Anlage B8 erfolgt, mangels Verschuldens der verspäteten Abrechnung möglich, auch mit dem verbleibenden Kautionsanspruch des Klägers aufzurechnen. Auch kam es zur Entscheidung des Rechtsstreits, entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht darauf an, ob die vorläufige Nebenkostenabrechnung formell ordnungsgemäß erfolgt ist, denn aufgrund des Fehlens des Verschuldens der Beklagten hinsichtlich einer fristgemäßen endgültigen Abrechnung hätte es gar keiner Abrechnung der Beklagten bedurft und diese kann deshalb auch im Hinblick auf eine fehlende Angabe der von Schätzgrundlagen der vorläufig abgerechneten Heiz- und Warmwasserkosten auch für die Beklagte keine nachteiligen Auswirkungen entfalten. Soweit die Schätzung der Beklagten über dem tatsächlich nunmehr endgültigen Verbrauch des Klägers lag, ist die Differenz von rund Euro 400,00 nicht zu beanstanden. Die Schätzung, die die Klägerin aus den Abrechnungen der vorangegangenen Jahre unbestrittenen ermittelt hat, ist nicht zu beanstanden.

Die Beklagte durfte in Erwartung der noch ausstehenden endgültigen Heizkostenabrechnung 2015 und aufgrund der Nachzahlungen des Klägers in den Vorjahren aufgrund ihrer berechtigten Erwartung einer Nachzahlungspflicht des Klägers auch die Kaution des Klägers bis zur endgültigen Abrechnung der Heizkosten 2015 einbehalten. Insoweit stand der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu. Der Vermieter darf die Kaution über den regulären Abrechnungszeitraum hinaus zurückbehalten, wenn – wie hier – ein Nachzahlungsanspruch zu seinen Gunsten für noch nicht fällige Betriebskosten zu erwarten ist. Zwar muss im Allgemeinen der Vermieter innerhalb von 6 Monaten über die Kaution abrechnen; im Einzelfall kann die Abrechnungsfrist aber auch länger sein. Denn die Mietkaution sichert alle – auch die noch nicht fälligen – Ansprüche des Vermieters, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben. Dazu gehören auch Ansprüche aus einer noch zu erstellenden Betriebskostenabrechnung. Wird eine keine anderslautende Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen, gilt kraft Gesetzes ein umfassender Sicherungszweck. Maßgeblich ist, wann die Abrechnung möglich ist (BGH, Urteil vom 18.1.2006 – VIII ZR 71/05 a.A. Schmidt-Futterer/Blank BGB § 551 Rn. 99 f., beck-online). Im hiesigen Fall hatte das Interesse des Klägers an einer zügigen Abrechnung der Kaution nach Vertragsende in gegenüber dem Sicherungsinteresse der Beklagten als Vermieterin an der Kaution bis zur Klärung der Frage, ob noch Nachzahlungen aufgrund der Heizkostenabrechnung 2015 klägerseits zu leisten sind, zurückzustehen.“

vorhergehend:
AG München, 29.06.2017 – 472 C 6762/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 556 BGB Vereinbarungen über Betriebskosten
(1) Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Für die Aufstellung der Betriebskosten gilt die Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346, 2347) fort. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Aufstellung der Betriebskosten zu erlassen.
(2) Die Vertragsparteien können vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften vereinbaren, dass Betriebskosten als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesen werden. Vorauszahlungen für Betriebskosten dürfen nur in angemessener Höhe vereinbart werden.
(3) Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1, Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

§ 551 BGB Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten
(1) Hat der Mieter dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit zu leisten, so darf diese vorbehaltlich des Absatzes 3 Satz 4 höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten betragen.
(2) Ist als Sicherheit eine Geldsumme bereitzustellen, so ist der Mieter zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen berechtigt. Die erste Teilzahlung ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Die weiteren Teilzahlungen werden zusammen mit den unmittelbar folgenden Mietzahlungen fällig.
(3) Der Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Vertragsparteien können eine andere Anlageform vereinbaren. In beiden Fällen muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und stehen die Erträge dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Bei Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim besteht für den Vermieter keine Pflicht, die Sicherheitsleistung zu verzinsen.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Quelle: MRRS 2018, 0165 Entscheidung im Volltext

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